Beim “Treffen Junger Autor*innen 2021” der Berliner Festspiele wurde Alma Unseld, Klasse 9d für ihre Lyrik und Prosa-Texte mit einem Förderpreis ausgezeichnet.
Im folgenden eine Auswahl ihrer Bewerbungstexte im Bereich Lyrik und Prosa.
Abend
Teelichtdunst scheint Vollmondtüte.
findest sommerleicht mich langend
in vertieften Harfen hangend
inniglich wie im Gemüte
stehst du regenfühlend rahmend
weiten Blicks in guten Breiten
weiß von Grillen nichts von Saiten.
nach die Blüten Kreise ahmend
Wunder
viel mehr perlendes Grün
noch im Schaublattschimmer
der lichtdurchwoben vor mir
ewig zu schwinden ihm scheint
schwebende Klangfarben nie
an das Begreifende gebunden
und schwebend um ihn
enthüllt wie der Farn in mir
Lebensfarben I
“Mama… Mama! Was malst du?”
“Wir werden es sehen. Ich fülle die Leinwand.”
“In welcher Farbe?”
“Das weiß ich noch nicht. Und das ist das Schönste, am Anfang.
Ich kann nicht sagen, wie sich die weiße Fläche füllen wird.
Wird sich der Pastellkasten öffnen und sie mit Kreidestaub färben? Oder werden es die silbernen Linien des Zeichenstiftes sein? Oder die samtig schwarzen der Kohle, die sie dunkeln?
Nein – vielleicht liegen doch die bunten Ölspachtel viel näher, die in jeden Winkel vordringen und überall Farbe dazwischenmischen. Oder die Tusche, Strich für Strich, tiefseegrau, immer wieder, kaum sichtbar, ein klein wenig Weiß frei lassend.”
“Tiefseegrau?”
“Ja, vielleicht. Wenn ich mein Bild dann sehe, nach ungefährer Zeit, scheint es, dass hier die feinen Pinselstriche vom transparenten Aquarell am besten passen und die Weite füllen. Ich erinnere mich dann nicht mehr, wieso ich mir das nicht vorher schon vorstellen konnte. Denn nun ist es doch so klar.“
“Und alles malst du mit anderen Farben?”
“Keines wie das andere. Vieles passt irgendwann von ganz allein zusammen. Und Manchem muss man einen Übergang schaffen.“
„Einen Übergang?“
„Wie eine Brücke von hier nach dort.”
“Wohin denn?“
„Wenn du ganz leise bist und die Augen schließt…”
“Aber dann sehe ich das Bild nicht!”
“Doch. Dann gehen wir hinein; und du wirst fühlen, dass es dort auch spielendes Licht gibt, das frische Düfte, Musik bunter Vögel und vielleicht eine vertraute Geste in sich hält. Und das klingende Flirren, das noch niemand benennen konnte. Manchmal auch große Stille.”
„Wirklich?“
“Wirklich. Und dort, wo noch nichts ist, füllst du die weißen Flecken selbst, mein Kind.”
“Mit meinen Farben?”
„Ja.“
Lebensfarben II
Pigmente seien es, sagte mein Vater und zeigte mir seine alte Hand.
Starenfedern seien es, erklärt der Ornithologe und holt weit aus.
Sporen seien es, schweigt der Fliegenpilz wenn über ihn der Wind weht.
Weiße Flecken.
Weiß wie der Schleier der Braut, durch den sie der Bräutigam liebt.
Weiß wie der Mond, der immerdar steht.
Weiß wie die Milch, die nach Kinderzeit schmeckt.
Weiß sind sie wie der Tod und weiß wie das Leben.
Sie kommen mir entgegen und stellen Fragen. Die darf ich beantworten, nach und nach.
Ich beginne, die Flecken zu füllen.
Manche rot oder zartlila. Manche bläulich, erdbeerfarben oder sonnengelb. Leuchtend.
Und manche werde ich weiß lassen.
Niemand weiß, warum.